Email an an Hans-Werner Sinn
Um die Debatte zur Kernenergiethematik etwas zu beflügeln, habe ich H.-W. Sinn angeschrieben und um eine Beschreibung seiner aktuellen Position gebeten. Diese Mail möchte ich hier in Teilen veröffentlichen:
Sehr geehrter Herr Sinn,
(…)
Sie haben mir vor einiger Zeit einen gehörigen Schrecken eingejagt, als ich Ihren Vortrag von 2013 „Energiewende ins Nichts“ auf YouTube hörte. Um ihre aufgestellten Thesen zu überprüfen, genügte mein Fachwissen nicht aus und so befragte ich einige befreundete Ingenieure und Physiker sowie auch prominente Naturwissenschaftler hierzu. Ich möchte Ihnen ein paar Auszüge der Antworten zitieren, die ich erhalten habe:
- Sämtliche von mir befragten Physiker und Naturwissenschaftler sind darüber einig, dass die Endlagerung nach wie vor ein ungelöstes Problem darstellt und eine Nachricht an zukünftige Generationen zu übermitteln, an bestimmten Stellen lieber nicht zu graben, ein Ding der Unmöglichkeit sei, denn “wie soll man unseren Nachfahren in 2, 20 oder 200 Generationen klar machen, dass sie nicht im Endlager herum buddeln sollen? Meine Töchter im zarten Teenager-Alter wissen doch überhaupt nicht mehr, was eine 5″- oder 3,5″-Zoll Diskette, eine Audio-Cassette oder ein Röhrenmonitor ist- nach bereits einer Generation.” (Anonymer Physiker)
- “Kernkraftwerke müssen gekühlt werden. Kühlung funktioniert nur, wenn das kühlende Medium kalt ist. Im Laufe der letzten Jahre mussten bereits in Frankreich und Deutschland Kernkraftwerke abgeschaltet werden, wegen fehlendem Kühlwasser. (https://www.heise.de/tp/features/Atomkraftwerke-werden-erneut-wegen-Hitze-abgeschaltet-4480396.html). Da die globale Erwärmung noch zunehmen wird, werden wir vor allem im Sommer Kernkraftwerke abschalten müssen.
Daraus folgt, Kernkraftwerke sind keine Option für die Zukunft und zwar aus grundsätzlichen nämlich thermodynamischen Gründen.” (Harald Lesch) - “Neue Kernkraftwerke liegen mit 10 bis 16 ct/kWh bei den 2,5 bis 4-fachen Kosten der Photovoltaik.” (Volker Quaschning)
- “Die Reserven an Uran würden nicht einmal reichen, um den Weltenergiebedarf zwei Jahre lang zu decken. Kernenergie ist nur eine Option, solange der Anteil im einstelligen Prozentbereich liegt.” (Volker Quaschning)
Insbesondere die Argumente von Herrn Quaschning überzeugten mich, dass Sie, verehrter Herr Sinn, falsch liegen müssen. Wie soll eine Renaissance der Kernenergie ökonomisch und umweltpolitisch sinnvoll sein können, wenn a) die Ressourcen derart knapp, b) die Kosten vergleichsweise hoch und c) die Gefahren bei der Nutzung nicht kalkulierbar sind?
Diese Frage möchte ich Ihnen hiermit stellen. Mir ist aufgefallen, dass Sie Ihre Haltung seit 2013 etwas revidiert haben (Anm.: Ich beziehe mich hier auf ein ausführliches Interview mit Tilo Jung vom 15.12.2019, in welchem H.-W. Sinn das Thema kaum anschnitt). So sprechen Sie inzwischen nur noch darüber, dass der gleichzeitige Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie ökonomisch nicht durchführbar sei. Jedoch wäre es nicht denkbar, weitere Optionen ins Auge zu fassen? So wäre es beispielsweise in den südlichen Regionen der EU bereits jetzt technisch machbar, grosse Photovoltaikanlagen zu errichten. Diese könnten mit weit weniger finanziellem und technischem Aufwand als AKW’s gebaut und betrieben werden.
(…)
Vielen Dank und Freundliche Grüße