Kernenergie! Die Antwort auf die Klimafrage? (Ergebnisse)

In den letzten Wochen beschäftigte uns die durch Hans-Werner Sinn angestoßene Diskussion, ob die Kernenergie einen relevanten Beitrag zur Energiewende leisten kann. Mit der Physikerin Friederike Frieß, Senior Scientist der BOKU Wien und dem Maschinenbauingenieur Eckart Laurien vom Institut für Kernenergetik und Energiesysteme der Universität Stuttgart konnten wir zwei Experten dafür gewinnen, uns die wichtigsten Aspekte bei dieser Fragestellung verständlich zu machen. Die Ergebnisse sind hier zusammengefasst:  

Thermodynamik
Harald Lesch hat uns darauf hingewiesen, dass dem Ausbau der Kernenergie unter anderem auch thermodynamische Gründe entgegenstehen. In den Sommern der letzten Jahre mussten diverse Atomkraftwerke an kleineren Flüssen heruntergefahren werden, weil die Abwasser der Kraftwerke das Flusswasser so stark erwärmten, dass das Leben in den Flüssen bedroht war.
Beim Neubau von Kernkraftwerken wäre dieser Punkt insofern zu beachten, dass man sie an möglichst großen Flüssen, besser noch in Meeresnähe errichten müsste. Strom kann über weite Strecken transportiert werden und dies geschieht bereits in der Praxis, beispielsweise mit Windstrom.
⇒ Demnach wäre diese Problematik lösbar. Jedoch muss man für den Neubau eines AKW mindestens 5-10 Jahre veranschlagen. 

Volatilität
Sonnen- und Windenergie sind nicht jederzeit verfügbar, die Technologien zur Speicherung überschüssiger Energie (z.B.: Power-to-Gas und Pumpspeicherkraftwerke) sind noch nicht so weit ausgebaut um Flauten effektiv überbrücken zu können. Hierzu benötigt man zumindest kurz- und mittelfristig noch weitere Energielieferanten. Hans-Werner Sinn schlägt Atomkraftwerke als eine klimaverträgliche Alternative zu Kohlekraftwerken vor.
Gemäß den von uns befragten Experten sind Atomkraftwerke zwar grundsätzlich für einen Grundlastbetrieb ausgelegt, sie wären jedoch auch für den Regelbetrieb geeignet (wobei ein komplettes Herunterfahren immer zu vermeiden ist).
⇒ Eine Regelung von bis zu 70 Megawatt pro Minute ist bei einem 1400 MW-Kraftwerk im Bereich des technisch machbaren. Kernenergie könnte also zumindest kurzfristig beitragen, das Problem der Volatilität in den Griff zu bekommen. Insofern könnte eine Verschiebung der Abschalttermine für die Atommeiler in Deutschland sinnvoll sein. 

Rohstoffvorkommen
Uran ist ein begrenzter Rohstoff. Bei einem gleichbleibenden Verbrauch wären die Vorkommen auf der Erde in 150 Jahren erschöpft. Theoretisch ließe sich Uran in beliebigen Mengen aus Meerwasser gewinnen. Dies wäre jedoch mit sehr hohem Aufwand verbunden.
⇒ Bislang sind die vorhandenen Technologien zu ineffizient, um eine nennenswerte CO2 Einsparung bei der Nutzung von Uran aus Meerwasser zu erreichen. 

Brennstoffkreislauf: Schnelle Brüter
Herkömmliche Atomkraftwerke (sogenannte Leichtwasserreaktoren) können mit Natururan betrieben werden. Natururan besteht nur zu 0,7% aus dem spaltbaren Uran 235. Bei der Kernspaltung im Kernreaktor kann man beobachten, dass parallel Reaktionen stattfinden, bei denen aus dem nicht-spaltbaren Anteil des Urans spaltbares Material entsteht. Für genau diese Reaktion sind sogenannte schnelle Brüter optimiert. In ihnen kann man verbrauchte Brennstoffe gezielt anreichern. Der dabei entstehende Brennstoff, der wieder in Leichtwasserreaktoren verwendet werden kann, heißt Plutonium. 

Tatsächlich könnte durch den Einsatz schneller Brüter ein Brennstoffkreislauf geschaffen werden, der einerseits das Dilemma der Uranknappheit auflösen und gleichzeitig die Endlagerproblematik reduzieren würde. Derzeit setzen bereits einige Länder, z.B. Frankreich, Japan und Indien diesen Reaktortypen ein.
⇒ Jedoch birgt diese Technik enorme Risiken. Zum einen sind Brutreaktoren in puncto Sicherheit grundsätzlich gefährlicher einzustufen als Leichtwasserreaktoren. Zudem ist Plutonium nicht nur deutlich gesundheitsschädigender als Natururan – mit Plutonium lassen sich Nuklearwaffen herstellen. Eine weltweite kommerzielle Nutzung der Technik des schnellen Brütens würde kurz über lang die Zahl der Länder erhöhen, die über Nuklearwaffen verfügen.
Unter anderem aus diesem Grund sind Deutschland und die USA aus dieser Technologie ausgestiegen. Ein konsequenter geschlossener Brennstoffkreislauf wurde bis jetzt weltweit nicht umgesetzt. 

Endlagerung
Bei einem geschlossenen Brennstoffkreislauf spielt die Endlagerung eine geringere Rolle – jedoch würde auch hierbei immer ein Endlager gebraucht.
Endlager bergen eine Gefahr für nachfolgende Generationen, da Informationen sich nicht zuverlässig in die Zukunft transportieren lassen. 

Thorium
Seit den 50er Jahren wird die Nutzung von Thorium als Brennstoff diskutiert. Diese Technologie wurde jedoch bislang nicht konsequent entwickelt, da sie keine echte Alternative zu den bestehenden darstellt. Derzeit forschen noch Indien und China in diese Richtung.
⇒ Abgesehen davon, dass der Rohstoff Thorium weltweit in größeren Mengen zur Verfügung steht als Uran, ergäben sich sowohl bei der Endlagerung als auch beim Einsatz in einem geschlossenen Brennstoffkreislauf kaum nennenswerte Vorteile. 

Fusionsreaktor
Ebenfalls seit den 50er Jahren besteht die Idee, den Fusionsreaktor als Lieferant einer sauberen Kernenergie zu entwickeln. Jedoch ist es bislang nicht gelungen, einen Reaktor dieses Typs zu bauen, der mehr Energie liefert als er verbraucht. China hat angekündigt, bis 2030 so weit zu sein.
⇒ Ob dies gelingen wird, wird von den uns befragten Experten stark bezweifelt. Zudem läge auch dieser optimistische Termin zu weit in der Zukunft, um noch einen relevanten Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels leisten zu können. 

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