Vor ein paar Tagen traf ich meinen alten Freund Kai. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen. Er wusste nichts von diesem Blog und wir unterhielten uns auch nicht über den Klimawandel sondern, weil wir beide gerade mit unseren Autos in der Werkstatt waren, über Autoersatzteile. Im Gespräch erregte ich mich über die Strategie der Autoindustrie, kleine Bauteile absichtlich aus Plastik herzustellen um dadurch mehr Profit zu erzielen. Darauf fragte mich Kai: “Bist du ein Thunberg Anhänger?”
Ich war perplex. Ohne es beabsichtigt zu haben, rückte Kai mich in die Defensive. Wie jeder weiß, der diesen Blog liest, beschäftige ich mich gerade intensiv mit dem Klimawandel und wahrscheinlich denke ich deshalb auch des Öfteren laut über den Sinn und Unsinn der Machenschaften mancher Konzerne nach. Aber bin ich deswegen ein Anhänger von irgendetwas? Etwa einer Sekte, die von einer 15-jährigen Schwedin gegründet wurde? Auf keinen Fall, aber nichts anderes suggerieren solche Begriffe. Natürlich distanziert man sich zunächst einmal davon, aber wo kommen diese Unwörter plötzlich her? Es gibt ja sogar noch bessere: Thunberg-Jünger, Klimahysteriker, Klimaversteher! 😉
Solche Wortschöpfungen werden nicht zufällig in die Gesellschaft gestreut. Viele von uns nehmen sie auf ohne sich darüber bewusst zu werden, dass sie sich mit der reinen Verwendung eines Wortes bereits ungewollt ins linguistische Kampfgetümmel der Politik begeben.
In der Sprache unserer Politik werden schon lange wahrhaftige Kriege um Wörter geführt. Kurt Biedenkopf, der frühere Generalsekretär der CDU, sprach erstmalig vom Besetzen von Begriffen. Die CDU verfuhr entsprechend mit dem Wort “Familie” sowie die SPD mit “Chancengleichheit”.
Aber es werden nicht nur Begriffe und Themen besetzt. Man versucht, vom Gegner besetzte Themenbereiche zu zerstören oder zu rauben. Um positive Begriffe wird gerungen, während man versucht, den politischen Gegenspieler in die Nähe möglichst vieler negativer Begriffe zu drängen.
Auch wenn diese kriegerische Denkweise über Sprache mir schon damals befremdlich vorkam, so glaube ich, dass dies heute weit aggressiver und ungezügelter geschieht als noch vor wenigen Jahren. Während der eine oder andere vielleicht über “Alternative Fakten” noch schmunzeln kann, hört doch spätestens bei Wörtern wie “Lügenpresse” der Spaß auf.
Wer solche Wörter benutzt, sollte sich darüber im Klaren sein, was er tut: Er setzt eine sprachliche Brandbombe ein. Bomben haben nur einen Zweck, nämlich den Gegner zu vernichten. Solche Wörter können nicht dort eingesetzt werden, wo noch ein Gespräch oder eine Diskussion stattfinden soll. Wer von einer “Lügenpresse” spricht, möchte Journalisten nicht kritisieren, sondern Journalismus abschaffen. Wer Klimaschützern, eine “rot-grün versiffte” Denkweise und “Klimahysterie” unterstellt, möchte nicht etwas mit fundierten Argumenten in Frage stellen, oder gar aufgeklärt werden. Keinesfalls! – Wer so spricht, möchte den anderen in einer Weise treffen, die ihn verletzt und nach Möglichkeit für immer ruhig stellt.
Zurück zu meinem lieben Freund Kai. Er meinte es natürlich gar nicht so. Er wusste selber nicht mehr, wo er “Thunberg Anhänger” aufgeschnappt hatte. Möglicherweise beim Jahresrückblick von Dieter Nuhr?
Kai tat es am Ende natürlich leid und er gab mir recht, dass nun wirklich etwas passieren muss in der Politik und die Weichen gestellt werden müssen für eine vernünftige Klimapolitik.
Wir sprachen auch noch über Greta Thunberg und warum ein junges, engagiertes Mädchen heutzutage so brutal angegangen wird. Kai wunderte sich über sich selbst, denn es stellte sich heraus, dass er eigentlich eine ziemlich hohe Meinung über sie hat.
Das Erlebnis macht mich nachdenklich. Einmal mehr sage ich mir, dass dieser Blog anders sein muss. Hier wollen wir niemanden niedermachen, der anders denkt. Wir sind noch am Anfang, aber bisher ist uns das gelungen, denn wir haben Antworten von Menschen bekommen, die nicht unterschiedlicher denken können (demnächst mehr davon). Es muss jetzt noch gelingen, dass diese Menschen miteinander reden. Hoffentlich schaffen wir das. Hoffentlich schafft ihr das! Hoffentlich schafft ihr es miteinander zu reden!